Sonntag, 27. Januar 2013

5 1/2 Stunden bis Chanquinola

                    Busfahren in Panama
Vor der Abfahrt

Freiwillig steige ich nicht ein; aber ich habe keine Chance, man presst mich hinein. Mein Rucksack steht am Bordstein und schaut drein, als ob wir uns nie mehr wiedersehen würden.
Bald schleichen wir los. Wir: Ein Kleinbus, ein Fahrer, zwei Begleiter,  sowie ca. 25 Fahrgäste. Unter den Sitzen stapeln sich Schachteln, Ballen und einige Hunde, die man wegen Transportverbots in öffentlichen Verkehrsmitteln in Pappschachteln gezwängt hat. Sie sind die einzig Unaufgeregten.
Am Gang werden zusätzlich zwei Notsitze aufgeklappt. Nebenan auf der schmalen Bank drängen sich eine Indiofrau und deren drei Kinder, wovon eines gerade seine Mahlzeit von Mutters Brust entgegennimmt.
 
Überlandbus in Panama

Der Fahrer schaut suchend aus dem, zumindest optisch überladenen, Gefährt. Noch Reisewillige entlang des Weges? Klar, da und dort ein Campesino *), der mit Sack und Pack mitkommt. Der Berg am Dach, festgezurrt mit vielen Metern Plastikschnüren, wird immer höher. An der nächsten Haltestelle wird umgeschichtet. Unser Chauffeur hat wahrscheinlich erkannt, dass der Schwerpunkt verlagert werden muss. Einige Reissäcke, zwei Rucksäcke - unserer ist nicht dabei -, eine Tonne und zwei Schaufeln entkommen der luftigen Höhe und werden zwischen den Fahrgästen eingeklemmt. Sicherheitsgurten auf panamesisch.
Das Thermometer steigt, die Türe wird aufgerissen, und die zwei Fahrbegleiter zeigen der anwesenden Damenwelt, was für tolle Kerle sie sind. Mit einer Hand am Türrahmen festgekrallt, in der anderen den Celular **), wird, weit aus dem Bus hängend, balancierend telefoniert, was die kurvige Strecke hergibt.
 
Entlang der Straße
 
Einige Frauen am Wegrand winken, unser Gefährt stoppt mit quietschenden Bremsen. Was es gibt? Gefüllte Teigtaschen, noch heiß, grellbunte Süßigkeiten in Plastik eingeschweißt und jede Menge geschälte Orangen, ebenfalls in Plastikbeuteln, bietet man uns an. Die Orangen finden sofort ihre Abnehmer.
Die saftigen Dinger werden an Ort und Stelle enthauptet, ein kleines, aber scharfes Messer macht die Runde. Neben mir beißt ein Indiobub genussvoll in seinen Saftspender. Es spritzt nach allen Seiten, meine Billen kleben. Rundum zufriedenes Nuckeln, Schlürfen und Saugen bis ich mich frage, wohin nun mit dem vielen Leergebinde. Während ich noch überlege, fliegt die erste, ihres Saftes beraubte Frucht, knapp an mir vorbei ins Freie. Ich muss eingestehen: Ist doch gut, wenn Fenster und Türe offen sind. Mein kleiner Nachbar, er konnte als Sitzplatz nur mein rechtes Knie ergattern, zielt zwischen einige Köpfe in Richtung Türe. Fast geschafft! Das Geschoß prallt am halboffenen Türflügel ab und fliegt als Bumerang zurück, direkt zwischen zwei vor uns sitzende Mädchen, die böse aufheulen. Der Schütze schaut teilnahmslos zur Seite.
Ich grinse ob des Schauspiels. In dem Moment schiebt sich eine Hand an meine Bluse heran, um sich die Finger darin abzuwischen. Irrtum, der Kleine hat nur sein Hemd verfehlt.

*)   Landarbeiter
**) Mobiltelefon
****
Alle Rechte liegen bei der Autorin
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen