Vor der Abfahrt
Freiwillig steige ich nicht ein; aber ich habe keine Chance, man presst mich hinein. Mein Rucksack steht am Bordstein und schaut drein, als ob wir uns nie mehr wiedersehen würden.
Bald schleichen wir los. Wir: Ein Kleinbus, ein Fahrer, zwei
Begleiter, sowie ca. 25 Fahrgäste. Unter den Sitzen stapeln sich
Schachteln, Ballen und einige Hunde, die man wegen Transportverbots in öffentlichen
Verkehrsmitteln in Pappschachteln gezwängt hat. Sie sind die einzig Unaufgeregten.
Am Gang werden zusätzlich zwei Notsitze aufgeklappt. Nebenan auf der
schmalen Bank drängen sich eine
Indiofrau und deren drei Kinder, wovon eines gerade seine Mahlzeit von Mutters
Brust entgegennimmt.
Überlandbus in Panama
Der Fahrer schaut suchend aus dem, zumindest optisch überladenen, Gefährt. Noch Reisewillige entlang des Weges? Klar, da
und dort ein Campesino *), der mit Sack und Pack mitkommt. Der Berg am Dach,
festgezurrt mit vielen Metern Plastikschnüren, wird immer höher. An der
nächsten Haltestelle wird umgeschichtet. Unser Chauffeur hat
wahrscheinlich erkannt, dass der
Schwerpunkt verlagert werden muss. Einige Reissäcke, zwei Rucksäcke - unserer ist nicht dabei -, eine Tonne und
zwei Schaufeln entkommen der luftigen Höhe und
werden zwischen den Fahrgästen eingeklemmt. Sicherheitsgurten auf panamesisch.
Das Thermometer steigt, die Türe wird aufgerissen, und die
zwei Fahrbegleiter zeigen der anwesenden Damenwelt, was für tolle Kerle sie
sind. Mit einer Hand am Türrahmen festgekrallt, in der anderen den Celular **),
wird, weit aus dem Bus hängend, balancierend telefoniert, was die kurvige
Strecke hergibt.
Entlang der Straße
Einige Frauen am Wegrand winken, unser Gefährt stoppt mit quietschenden Bremsen.
Was es gibt? Gefüllte Teigtaschen, noch heiß, grellbunte Süßigkeiten in Plastik
eingeschweißt und jede Menge geschälte Orangen, ebenfalls in Plastikbeuteln,
bietet man uns an. Die Orangen finden sofort ihre Abnehmer.
Die saftigen Dinger werden an Ort und Stelle
enthauptet, ein kleines, aber scharfes Messer macht die Runde.
Neben mir beißt ein Indiobub genussvoll in seinen Saftspender. Es spritzt nach allen Seiten,
meine Billen kleben. Rundum zufriedenes Nuckeln, Schlürfen und Saugen bis ich
mich frage, wohin nun mit dem vielen Leergebinde. Während ich noch überlege,
fliegt die erste, ihres Saftes beraubte Frucht, knapp an mir vorbei ins Freie. Ich
muss eingestehen: Ist doch gut, wenn Fenster und Türe offen sind. Mein kleiner Nachbar, er konnte als Sitzplatz
nur mein rechtes Knie ergattern, zielt zwischen einige Köpfe in Richtung
Türe. Fast geschafft! Das Geschoß prallt am halboffenen Türflügel ab und fliegt
als Bumerang zurück, direkt zwischen zwei vor uns sitzende Mädchen, die böse aufheulen. Der Schütze
schaut teilnahmslos zur Seite.
Ich grinse ob des Schauspiels. In dem Moment schiebt sich
eine Hand an meine Bluse heran, um sich die Finger darin abzuwischen. Irrtum,
der Kleine hat nur sein Hemd verfehlt.
*) Landarbeiter
**) Mobiltelefon
*) Landarbeiter
**) Mobiltelefon
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Alle Rechte liegen bei der Autorin
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